Auf ihrem vierten Album als Shedir bietet die sardische Klangkünstlerin Martina Betti eine tiefgründige Meditation darüber, was es bedeutet, Mensch zu sein an der Schwelle zur Ungewissheit.

We Are All Strangers ist eine Reihe von Ambient-Tapes, die von Dualität und Introspektion geprägt sind und in denen Klang zu einem Raum wird, in dem die Spannung zwischen Identität und Mehrdeutigkeit, Präsenz und Verschwinden, Verbindung und Einsamkeit erforscht wird. Inspiriert von der Idee, dass wir alle Fremde sind, vor allem aber uns selbst gegenüber, schafft Betti sieben fließende, langsam brennende Kompositionen, die eine soziologische Grenzzone bewohnen – was sie als „inneres Anderswo“ bezeichnet.

Es handelt sich nicht um Songs im traditionellen Sinne, sondern um sich entwickelnde Klangwelten, die sich wie hörbar gemachte Gefühlszustände anfühlen. Umgebungsgeräusche, untergetauchte Elektronik und tiefe, langsame Impulse verschmelzen zu einer traumhaften Klangarchitektur: immersiv, zerbrechlich und still transformativ.

Anstatt Antworten oder einen Abschluss zu bieten, lädt uns das Album dazu ein, in radikaler Offenheit zu leben – aufzuhören, alles, was wir sehen und fühlen, definieren zu wollen, und stattdessen in dem zu baden, was unbenannt bleibt. In diesem Sinne ist We Are All Strangers eine Einladung: sich mit Unsicherheit auseinanderzusetzen, das Unvollendete anzunehmen und selbst in unserer kollektiven Entfremdung Resonanz zu finden.

Für Hörer, die sich zu den introspektiven Frequenzen von Rafael Anton Irisarri, Félicia Atkinson oder Lawrence English hingezogen fühlen, bietet Bettis Musik ein ähnlich eindringliches und immersives Erlebnis – eines, in dem Fremdheit kein Makel, sondern ein Ausgangspunkt ist. In ihren Händen wird Ambient-Musik zu einer Art reflektierendem Zufluchtsort: einem Ort, an dem man sich im Dunkeln berührt und beginnt, wie sie es ausdrückt, „die schwierige Kunst der Nähe“ zu lernen.